Das mehrsprachige Klassenzimmer/Tools
Ein Kindergarten oder ein Klassenzimmer, in dem die Mehrsprachigkeit der Kinder gefördert wird, sollte eine Umgebung ermöglichen, in der die Vielfalt der Sprachen und Kulturen der Schüler:innen respektiert sowie genutzt werden. (Cathomas & Carigiet, 2008) Hier sind einige Merkmale und Gestaltungselemente, die wir für solche Räume für wichtig halten:
Beispiele für die vier Gestaltungselemente:
- Mehrsprachige Klassenbibliothek:
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- Bilderbücher ohne Text
- «Ausflug zum Mond» – Hare, J. (2019) → «Tief im Ozean» – Hare, J. (2021)
- «Tief im Ozean» – Hare, J. (2021)
- «Die Vulkaninsel» – Hare, J. (2022)
- Empfehlenswerte Bilderbücher zur Thematisierung von Mehrsprachigkeit
- «Meine liebsten Dinge müssen mit» – Sarihi, S./Völk, J. (2018)*
- «Die grosse Wörterfabrik» – de Lestrade, A./Docampo V. (2012)
- «Fabers Schatz» – Funke, C./Göhlich, S. (2016)
- «Zuhause kann überall sein» – Kobald, I./Blackwood, F. (2015) → «Das ist kein Papagei!» – Schami, R./Erlbruch, W. (2010)
- «Der Berg» - Gugger, R./ Röthlisberger, S. (2021)
- Gratis-Bilderbücher aus www.mulingula-praxis.de → «Tschiep!» – Baltscheit, M. (o.J.)
- «Tschiep!» – Baltscheit, M. (o.J.)
- «Essi war ́s» – Damm, A. (o.J.)
- «Ein buntes Land» – Mai, M.
- «In Wirklichkeit war es anders» – Bröger, A. (o.J.)
- «Moritz malt ein Strichmännchen» – Bröger, A. (o.J.)
Didaktische Umsetzungen zu den Büchern «Tschiep!» und «Essie war’s» findest du im Buch «Praxisbuch Sprachenvielfalt in der Grundschule» (Strozyk, 2021) - Bilderbücher ohne Text
- Bücher in Sprachen der Klasse
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Es ist wesentlich, in der Klassenbibliothek Bücher in allen von den Kindern gesprochenen Sprachen zu haben, da so eine Grundlage der Wertschätzung gegenüber Mehrsprachigkeit geschaffen wird. Zusätzlich empfehlen wir, Wörterbücher in die Bibliothek aufzunehmen; auch Bildwörterbücher können helfen, Barrieren abzubauen und Zugänge zu den Sprachen zu ermöglichen.
- Digitale Übersetzungstools in der Klassenbibliothek
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Digitale Wörterbücher und Übersetzungsprogramme sollten auf Tablets in der Klassenbibliothek zur Verfügung gestellt werden. Dies ermöglicht eine unmittelbare Übersetzung verschiedener Sprachen und eröffnet direkten Zugang zu anderen Sprachen. Im Test haben wir die «Say Hi»-App und «Google Translate» verwendet. Diese Applikationen bieten die Möglichkeit einer Sprachübersetzung, ohne dass Schreibkenntnisse erforderlich sind.
- Mehrsprachige Beschriftungen:
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Möbel, Spielorte, feste Redemittel etc. werden auf Deutsch sowie anderen Sprachen beschriftet und aufgehängt. Zusätzlich kann dies auch mündlich mit dem «Anybook-Stift» aufgenommen werden. Mehr Informationen zu «Anybook» findest du weiter unten.
- Ergebnisse aus den didaktischen Umsetzungen:
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Unsere Praxiserfahrung zeigt, dass der Sprachmensch, Steckbriefe oder Sprechblasen, welche im Rahmen einer geführten Sequenz erarbeitet und aufgehängt werden, das Klassenzimmer schmücken. Dadurch wird eine einladende Atmosphäre gegenüber allen gesprochenen Sprachen der Kinder geschaffen. Wir möchten an dieser Stelle auf unsere didaktischen Empfehlungen verweisen.
Analoge Tools:
- Portfolino: Das Sprachenportfolio vom ESP für Zyklus 1
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Portfolino ist ein Sprachenportfolio, abgeleitet vom europäischen Sprachenportfolio, das Kinder persönlich durch den ersten Zyklus führt. Mit diesem speziellen Sprachenportfolio für Kindergarten und erste Klasse wird den Kindern vermittelt, dass sie in einer Welt mit verschiedenen Sprachen und Kulturen leben. Die Abschnitte «Sprachen aus meiner Umgebung», «Sprachen in meiner Schule» und «Sprachen ausserhalb der Schule» helfen ihnen, sich erste Gedanken zu ihrer eigenen Sprachgeschichte zu machen. Das Sammeln von Informationen im Portfolino hilft den Kindern, sich bewusst zu werden, wie vielsprachig sie sind (Europarat, 2001) . Weitere Informationen gibt es auf der Website: https://shop.schulverlag.ch/de/esp-portfolino-81096.html
- ‹Anybook›-Stift: Sprachaufnahme- und Wiedergabegerät
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Der ‹Anybook›-Stift ist ein elektronisches Lesehilfsmittel, das entwickelt wurde, um das Lesen interaktiver und zugänglicher zu machen. Es handelt sich um einen digitalen Stift, der Tonaufnahmen wiedergibt, die einem bestimmten Aufkleber oder Code zugeordnet sind, der wiederum auf die Seite eines Buches geklebt wird (anybook, 2000). In mehrsprachigen Klassenzimmern kann der ‹Anybook›-Stift besonders nützlich sein. Erziehungsberechtigte, Kinder oder Lehrpersonen können Aufnahmen in verschiedenen Sprachen erstellen, um Schüler:innen einen Zugang zu anderen Sprachen zu ermöglichen.
So funktioniert der ‹Anybook›-Stift:
Tonaufnahme: Eine Person nimmt sich selbst beim Vorlesen von Texten aus einem Buch auf. Die Aufnahme wird dann einem codierten Aufkleber zugeordnet, der auf die entsprechende Seite im Buch geklebt wird.
Wiedergabe: Wenn das Kind den Stift über den Aufkleber bewegt, erkennt dieser den spezifischen Code und spielt die zugehörige Tonaufnahme ab. Dies ermöglicht es dem Kind, den gedruckten Text zu hören, während es ihn liest oder ihm im Buch folgt
Interaktives Lernen: Da jede Tonaufnahme individuell ist, können Kinder durch Zuhören und Interaktion mit dem Buch auf neue Weise lernen. Das kann besonders nützlich sein für Kinder, die mit dem Lesen Schwierigkeiten haben, eine auditive Lernkomponente benötigen oder eine zusätzliche Dimension zu ihrem Leseerlebnis hinzufügen möchten.
Mehrsprachiger Support: In mehrsprachigen Situationen kann der ‹Anybook›-Stift besonders nützlich sein. Erziehungsberechtigte oder Lehrpersonen können Aufnahmen in verschiedenen Sprachen erstellen, um Kindern beim Sprachenlernen zu helfen.
Mobilität und Flexibilität: Der Stift ist tragbar und einfach zu bedienen, was ihn zu einem praktischen Werkzeug für das Lernen zuhause, in der Schule oder unterwegs macht. Der ‹Anybook›-Stift ist ein Beispiel für Technologie, mit der das Lernen persönlicher und interaktiver wird sowie besser an die unterschiedlichen Bedürfnisse von Lernern angepasst werden kann.
Weitere Informationen gibt es auf folgender Website: https://anybookreader.de/
- Toniebox: Audiosystem mit interaktiven Figuren
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Die Toniebox ist ein innovatives, würfelförmiges Audiosystem für Kinder, mit dem Geschichten und Lieder über spezielle Figuren – sogenannte ‹Tonies› – abgespielt werden. Jeder Tonie ist mit einem bestimmten Audioprogramm, wie einem Hörbuch, Liedern oder Wissensinhalten, verknüpft. Wenn ein Tonie auf die Box gesetzt wird, wird der entsprechende Inhalt drahtlos abgespielt. Das System ist bewusst einfach gestaltet, ohne komplexe Menüs oder die Notwendigkeit einer Bildschirm-Interaktion (tonies, 2024)
Im Folgenden werden einige Möglichkeiten vorgestellt, die Toniebox zur Förderung der Mehrsprachigkeit zu nutzen. Diese Umsetzungen, haben wir in verschiedenen Praxiserfahrungen erlebt.
Mehrsprachige Tonies: Investiere in Tonies, die Geschichten oder Lieder in unterschiedlichen Sprachen anbieten. Dies ermöglicht Kindern, verschiedene Sprachen zu hören und sich mit ihnen vertraut zu machen, was besonders in den frühen Phasen des Sprachenlernens nützlich ist, wenn es um die Erkennung von Rhythmus, Tonfall und Aussprache geht.
Kreativ-Tonies für individuelle Aufnahmen: Es gibt leere Tonies, bekannt als ‹Kreativ- Tonies›, die du mit eigenen Aufnahmen bespielen kannst. Es können Geschichten in der Zielsprache, Dialoge zwischen Familienmitgliedern, persönliche Botschaften, Lieder oder auch Unterrichtsstunden in einer anderen Sprache aufgenommen werden. Dies kann Kindern helfen, eine Verbindung zur Zielsprache auf einer persönlicheren Ebene herzustellen.
Interkulturelles Lernen: Verwende Tonies, die Geschichten aus unterschiedlichen Kulturen erzählen, um den Kindern ein besseres Verständnis für die Welt um sie herum zu vermitteln. So können ihre Neugier auf und ihr Engagement für das Erlernen neuer Sprachen gefördert werden.
Routinebasiertes Lernen: Integriere die Toniebox in den täglichen Ablauf der Kinder, indem du Zeiten für Geschichten in verschiedenen Sprachen festlegst. Eine konsequente Routine hilft Kindern, sich mit der Sprache vertraut zu machen, und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie motiviert bleiben.
Interaktive Aktivitäten: Mache das Hören mit der Toniebox zu einer interaktiven Aktivität. Stelle Fragen zum Inhalt, bitte die Kinder, in der zweiten Sprache zu antworten, oder organisiere kleine Aufführungen, bei denen die Kinder das nachspielen können, was sie gehört haben.
Bibliothek für mehrsprachige Ressourcen: Erstelle eine vielfältige Bibliothek aus Tonies und Kreativ-Tonies, die ein umfassendes Spektrum an Sprachen und Themen enthalten. Dies hilft, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mehrsprachigkeit normal und spannend ist.
Durch die Verwendung der Toniebox auf diese Weise kannst du den Kindern helfen, eine neue Sprache auf spielerische sowie interaktive Art zu lernen, wobei der Schwerpunkt auf Hörverständnis und mündlicher Beteiligung liegt. Es ist eine offene Methode, die dazu beitragen kann, die Angst vor neuen Sprachen zu nehmen und das Lernen als etwas Natürliches sowie Angenehmes zu erfahren.
- Story-Cubes:
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Story-Cubes sind Würfel, welche mit verschiedenen Symbolen bedruckt sind. Sie eignen sich hauptsächlich dazu, kreative Geschichten zu erfinden. Im Kontext der Mehrsprachigkeit haben wir uns überlegt, dass die Würfel ein guter Einstieg sind, um Sprachvergleiche durchzuführen. Spielerisch lassen sich so mehrsprachige Geschichten erfinden und gleichzeitig wird die Erzählkompetenz der Schüler:innen gefördert.
Weitere Informationen gibt es auf folgender Website: https://www.storycubes.com/de/
Digitale Tools:
- Digitale Übersetzungs-Apps: «Say-Hi» und «Google Translate»
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Diese Apps lassen sich schnell auf das Smartphone oder auf die Schultablets installieren. Damit können beispielsweise Bildinhalte mit der Kamera übersetzt werden oder es kann direkt in den Übersetzer hineingesprochen werden. Das Gesprochene wird danach ad hoc in die Wunschsprache übersetzt.
Digitale Übersetzungs-Apps können ein wertvolles Instrument sein, um Mehrsprachigkeit zu fördern. Sie bieten unmittelbaren Zugriff auf Vokabeln und Ausdrücke in zahlreichen Sprachen, was besonders beim Erlernen neuer Sprachen oder der Kommunikation mit Sprechern und Sprecherinnen anderer Sprachen hilfreich ist. Im Folgenden werden einige Methoden vorgestellt, die wir konzipiert haben, um diese Technologien einzusetzen, um das Sprachenlernen zu unterstützen:
Sofortübersetzung fürs Verständnis: Kinder können die Apps verwenden, um Wörter oder Sätze, die sie nicht kennen, sofort zu übersetzen. Das ist praktisch, wenn sie Texte lesen, die über ihrem aktuellen Sprachniveau liegen, oder sie sich an komplexeren Gesprächen beteiligen möchten.
Aussprache üben: Viele Übersetzungs-Apps bieten eine Audiofunktion für übersetzte Wörter oder Sätze. Die Schüler:innen können diese nutzen, um ihre Aussprache zu schulen und das Hörverständnis zu verbessern.
Wortschatz erweitern: Die Schüler:innen können die Apps nutzen, um neue Vokabeln zu entdecken und zu lernen. Durch regelmässiges Übersetzen von Wörtern oder Sätzen aus ihrem Alltag können sie ihren Wortschatz in der neuen Sprache kontinuierlich erweitern.
Sprachspiele und Herausforderungen: Gestalte das Lernen interessant durch Herausforderungen oder Spiele. Du kannst beispielsweise Sätze oder Wörter in eine Zielsprache übersetzen lassen und die Kinder auffordern, das entsprechende Objekt zu suchen oder die Handlung auszuführen.
Kulturelles Lernen: Nutze die Übersetzungs-App, um kulturelle Inhalte wie Lieder oder Bücher zu übersetzen. Dies hilft den Schüler:innen, die landestypischen Kontexte zu verstehen, die mit den Wörtern verknüpft sind, und bietet eine tiefere sowie sinnvollere Verbindung zur Sprache.
Beachte, dass digitale Übersetzungs-Apps ein hilfreiches Werkzeug darstellen, sie jedoch den praktischen Sprachgebrauch, die Sprachimmersion oder den formellen Sprachunterricht nicht ersetzen. Sie sollten als Ergänzung zum Sprachenlernen verwendet werden, um das Lernen zu unterstützen und Kommunikationsbarrieren zu reduzieren. Zudem ist auch zu beachten, dass die Übersetzungen kritisch geprüft werden sollten, da diese nicht immer korrekt sind.
- Mulingula
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Über die Nutzung der Website lässt sich literarisches Lernen in Verbindung mit Sprachförderung effektiv in mehrsprachigen Lerngruppen umsetzen. Auf der Website gibt es derzeit zwölf digitale Bilderbücher in zahlreichen
Sprachen, wie beispielweise: Arabisch, Farsi, Romanes, Russisch, Tamilisch und Türkisch (Stand: 10.09.2024). Die ansprechenden literarischen Kindertexte wurden von namhaften Autor:innen zur Verfügung gestellt. Sie sind in besonderem Masse an das Alter von Schüler:innen des Zyklus 1 angepasst und es gibt jahrgangsbezogene Zuordnungen.
Für die Arbeit mit Mulingula, haben wir uns folgende Umsetzungsmöglichkeiten überlegt: In individuell gestalteten Lernsituationen können sich Kinder allein oder zu zweit den Text eines digitalen Bilderbuches am iPad vorlesen lassen. Es kann auch sinnvoll sein, dass Kinder sich das Bilderbuch vor einer gemeinsamen Texterschliessung auf Deutsch über die Audiofunktion in ihrer Erstsprachen anhören. Dies kann auch abschnittsweise in Kombination mit der deutschen Fassung geschehen. Durch die Audiofunktion werden mehrsprachige Vorlesesettings ermöglicht. Die Kinder, auch die deutschsprachigen, erleben eine spannende Begegnung mit den Sprachen ihrer Mitschüler:innen.
Die mehrsprachigen Bildwortkarten zum Download enthalten auch eine Blankoversion, in der sich die Schlüsselwörter in weiteren Sprachen festhalten lassen. Die Kinder werden explizit aufgefordert, ihre Erziehungsberechtigten um Mithilfe zu bitten. Mulingula hat den Ansatz der Mercator-Stiftung verwendet, der sich in sprachheterogenen Gruppen als besonders effizient erweist. «Sinnvoll ist eine Verbindung des mehrsprachigen Unterrichts mit dem Ansatz des Sprachsensiblen Unterrichts. So können die Lehrkräfte beispielsweise die mehrsprachigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler als Scaffolding, also eine Art sprachliches Unterstützungssystem, für sachfachliche und sprachliche Lerninhalte heranziehen» (Bredthauer, 2019).
- AMIRA – Leseprogramm für Grundschüler:innen in neun Sprachen
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Im Leseförderprogramm AMIRA werden Geschichten für Erstleser:innen als virtuelle Bücher präsentiert. Zielgruppe des kostenlosen Angebotes sind Kinder mit besonderem Förderbedarf, insbesondere solche, die Deutsch als zweite Sprache lernen. Mit AMIRA können alle Kinder motiviert werden und es ist ganzheitlich im Umgang mit Mehrsprachigkeit einsetzbar. Die Geschichten können selbst gelesen werden, Kinder können sich diese aber auch in vielen Sprachen vorlesen lassen und dabei parallel lesen. Es kann unkompliziert und dynamisch von einer Sprache in eine andere gewechselt werden. So kann verglichen werden, wenn in einer Sprache etwas unverständlich sein sollte (amira, o.J.) Der Mehrsprachigkeit wird auf der Homepage eine zentrale Rolle zugeschrieben. Dabei wird den Fertigkeiten zweisprachig aufwachsender Kinder eine besondere Wertschätzung entgegengebracht. Du kannst die bilingualen Kinder gezielt zum Lesen in ihrer Erstsprache motivieren. Das ermöglicht, auch die Erziehungsberechtigten miteinzubeziehen. Diese können dann mitlesen und verstehen, was ihre Kinder lesen, und werden vielleicht zum Vorlesen angeregt.
Zugang zum Programm aus folgender Website: www.amira-lesen.de